Chansons (1999-2011)

Es hängt mein Hut noch im Café

Schau´n Sie mich an: Ich stehe auf der Straße
mein Stammplatz im Café ist raucherfrei
wen stört das Pfeifchen? Es war doch in Maßen
Nun sorgt sich um mein Wohl die Polizei

Vorbei! Vorbei! Vorbei!

Das kleine Schild mit meinem Namen
such ich vergebens am vertrauten Ziel
Vorbei der frühe Flirt mit späten Damen
nun treibt ein Paragraph mich ins Exil

Ach, blauer Dunst nur, Quelle heit´rer Verse
die Dunhill gab der hohen Stirn Profil
Hier hilft kein Fleh´n und keine Kontroverse
und laute Töne waren nie mein Stil

Schaun Sie mich an: Man hat mir heut gekündigt
mein Stammplatz im Kaffeehaus ist passé
ich hab´ nur aus Gewohnheit mich versündigt
doch hängt mein Hut noch immer im Café

Vorbei! Vorbei! Vorbei!

Dies war der Ort, wo mich die Muse küsste
und in Gedanken Steffi vom Büfett
Vielleicht, wenn sie von meinen Träumen wüßte
gäb sie mir ein Stück Hoffnung zum Kaffee

Hier bin ich oft bei Sacher schwach geworden
und Käse-Sahne gab dem Tag den Kick
auch die Charlotten haben mich umworben
wenn ich versank in heißem Mokka-Glück

Mein Wohnrecht im Kaffeehaus ist erloschen
Schaun Sie mich an: Es tut noch immer weh
Die letzten großen Phrasen sind gedroschen
nun hängt mein Hut noch einsam im Café

Vorbei! Vorbei! Vorbei!

Die Hausfrau´n mit den großen Einkaufstüten
ich seh durchs Fenster sie an meinem Tisch
ich seh die Gabeln durch die Torten wüten
War das das Paradies? Ich glaub´s ja nicht...

Ich suche nach Asyl im Pusztakeller
der Bier-Pub schwemmt mich vor die Tür
kein Sternekoch lockt mich mit Muskateller
und auch Mac Elend ist nicht mein Revier

Ach, schau´n Sie weg! Ich hab die Faxen dicke!
Wer mich nicht will, der tut sich selber weh!
Und ehe ich am Mitgefühl ersticke
hol ich mir jetzt den Hut aus dem Café

Text (2011): Dieter Treeck
Musik (2011): Otto Beatus

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es fraut mich

die phantasie schlägt wilde purzelbäume
doch auf der straße küsst mich nur der wind
die zeit geht hin und was ich jetzt versäume
hängt bald als "hättstedoch" in meinem spind

ich suche immer, immer wieder
den starken arm, doch niemand traut sich
ich spüre oft das klopfen unterm mieder
doch nie schlägt´s zwölf, verdammt, nichts fraut mich

er stand im supermarkte – leicht verfettet
und starrte auf´s gemüse-sortiment
ich hätte glatt mein letztes hemd verwettet
daß er nicht ein stück grün beim namen nennt

ich lande immer, immer wieder
bei solchen typen, ach, es graut mich
es macht mich an und macht mich nieder
der frust sitzt tief, und doch: es fraut mich

ich sah ihm zu, er war wohl mitte fünfzig
sein mantel war bestimmt mal elegant
warum nur schlug mein herz so unvernünftig
an so was hatte ich mich oft verbrannt

ich fliege immer, immer wieder
auf solche männer, ach, es graut mich
was zieht mich an, was macht mich nieder
ich hab dafür kein wort, vielleicht - es fraut mich?

nun stand er da und wühlte in den taschen
ein leerer blick nur hatte mich gestreift
dann ging er rüber zu den whiskey-flaschen
drei meter schottland, eichenholzgereift

ich blicke immer, immer wieder
in meinen spiegel, ach, es graut mich
ein tag-gespenst drückt meine stimmung nieder
was soll´s, ich bin´s, und also fraut´s mich

dann standen wir uns plötzlich gegenüber
ich las auf seiner stirn: "verwendbar bis"
doch irgend etwas warnte: nicht schon wieder
und meine lippen formten sich zum "tschüß"

ich fliege immer, immer wieder
auf die versager, ach es staut sich
im falschen Leben, blass und bieder
doch jetzt ist schluss, ihr herrn, es fraut mich!

Chanson (2009). Dieter Treeck
Musik (2011): Otto Beatus

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Ich habe noch ein Bein von Dir

Es ging so schnell, ich konnt´ es kaum genießen
jetzt bist Du tot; es blieb mir keine Wahl
als Dich mit deinem Spielzeug zu erschießen
ich fühl´, ich tät´ es gerne noch einmal

Ich seh´ Dich vor mir, nein, Du warst nicht prüde
Du warst sehr stark, wo immer Frau es braucht
doch mit der Zeit erlebte ich Dich müde
war mir nach Liebe, - bist Du abgetaucht

Ich habe noch ein Bein von Dir
im Kühlschrank in der Ecke
und bald, dann gehst Du ganz von mir
wenn ich Dich nicht mehr schmecke

Das junge Nichts, das im Kaffeehaus jobbte
sie hat Dich manchmal etwas aufgefrischt
doch als ich Deine Taillen-Schwünge stoppte
hast Du mir dumme Sprüche aufgetischt

Mein Badetrip zu Ungarns heißen Quellen
hat meine Lust so richtig aufgepeppt
und sicher waren es nur Bagatellen
als Du derweil Renate abgeschleppt

Ich habe noch ein Bein von Dir
im Kühlhaus an der Leine
gleich kommt Renate gegen vier
sie hat noch beide Beine

Du nennst es Sport, wenn Du am Sonntagmorgen
in runde Scheiben runde Löcher schießt
doch leider blieb zu lange mir verborgen
daß Du danach im Kamasutra liest

Dein Sportgewehr, das Du so zärtlich putztest
es machte plopp, ich hab´ nicht mal gezielt
die Kugel wusste selbst, wohin sie musste
vorbei, mein Schatz, Du hattest ausgespielt

Ich habe noch ein Bein von Dir
komplett mit Fleisch und Knochen
wenn ich nicht die Geduld verlier
hält es noch ein paar Wochen

Das Messer, das Dich liebevoll zerteilte
war Dein Geschenk, - hast Du es nicht gespürt?
als ich an Deiner Hüfte kurz verweilte
hat mich wohl die Erinnerung berührt

Ich habe wochenlang Dich aufgetafelt
und meiner Gäste Lob war ungeteilt
ich hab´ von Wildschwein und von Hirsch geschwafelt
und mich an Deinen Lenden aufgegeilt

Ich habe noch ein Bein von Dir
ich glaub´, es war das linke
ich lieb Dich Schatz, Du totes Tier
wenn ich jetzt auf Dich trinke... .

Chanson (2010) Dieter Treeck
Musik (2011) Otto Beatus

(Gedicht für das Kurzkrimi-Programm gleichen Titels,
das Kriszti Kiss 2010 zum Europäischen Krimifestival
„Mord am Hellweg“ beitrug)

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Ich bin siebzehn, fünfzig, hundert

(Auszug)

ich hab meinen Mann geschlachtet
und ihn kunstgerecht zerteilt
wer mich jetzt dafür verachtet
handelt etwas übereilt

ja, ich hab den Kerl gemeuchelt
der sich so nach mir verzehrt
reue wär doch wohl geheuchelt
denn kein Hund hat ihn entbehrt

jeden Abend eine Leiche
und im Beifall Amnestie
ob im Fahrstuhl, ob im Teiche
Mord ist reinste Therapie

Refrain:
ich bin siebzehn, fünfzig hundert
Engel oder Nachtdämon
und wenn Sie das jetzt noch wundert
schmeißt Sie Julia vom Balkon
ich bin Feuer, ich bin Asche
und der Wind trägt mich hinaus
morgen, wenn ich Hemden wasche
warte ich auf den Applaus

Ich hab meinen Kopf verloren
und nun liegt er da im Staub
oben ohne soll ich schmoren
in der Hölle mit Verlaub

Sie verstehen meine Trauer
mit dem Windhauch unterm Kinn
doch ich bin nur etwas sauer
dass ich aus dem Spiele bin

Jetzt geht's ab in die Kantine
wo Kaffee den Kopf noch braucht
und ich schiebe ne Praline
dahin, wo ich ausgehaucht

Refrain

(Das für Kriszti Kiss geschriebene Chanson entstand, nachdem die Schauspielerin bei den Schloßspielen in Hagen-Hohenlimburg gleich drei Rollen in Kishons „Es war die Lerche“ gespielt hatte: die in die Jahre gekommene Julia, ihre Tochter „Lucky“, sowie die uralte Amme)

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Ich bin der linke Schuh....

Die Paare sehen aus wie Zwillingsschwestern
derselbe Bauch, dieselbe Leere im Gesicht
das Morgen wird so farblos wie das Gestern
beim Abendessen denkt man ans Gewicht

Das Meer ist blau, so blau wie eine Rose
der Himmel lacht, was soll er sonst auch tun?
der Zweifel wächst, er grinst dir aus der Hose
denn du bist jung und gegen mich immun

Refrain:

Ich bin der linke Schuh zu dem kein rechter passt
ich bin die blinde Kuh, die stets den Zug verpasst
auch wenn mein T-Shirt ein 'Please love me!' trägt
so hat mich schon lange kein Kerl mehr bewegt
Auch wenn mein T-Shirt ein 'Please love me!' trägt
so hab ich mich längst zu den Akten gelegt

Ich liebte Nächte wie Campari-Bitter
und deine pralle Lust in meinem Mund
in jedem Manne suchte ich den Zwitter
zur Hälfte Lamm, zur Hälfte Höllenhund

Ein 'Falsch verbunden' klagt aus deiner Leitung
der letzte Blütentraum vergeht im Frost
was morgen ist, stand gestern in der Zeitung
mein teueres Make-up verhüllt den Rost

Refrain

Chanson aus dem Kabarett-Programm 'Bloß keinem weitersagen, aber Liebe schwächt'
Text: Dieter Treeck - Musik: Holger Clausen

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